Montag, 28.05.2018

Thomas Borggrefe machte mit seinem Stück „Dachstube“ Demenz erfahrbar

Wie fühlt sich eine Demenz an? Und wie erlebt ein Mensch, der daran erkrankt ist, die Welt? Das machte der Schauspieler und Seelsorger Thomas Borggrefe mit seinem Ein-Personen-Stück „Dachstube“ auf ebenso eindringliche wie berührende Weise vor vielen Besucherinnen und Besuchern erfahrbar. Auf Einladung der „Klinik für Neurologie mit Klinischer Neurophysiologie“ gastierte er im Herz-Jesu-Krankenhaus.

Doppelrolle

„Dachstube“ erzählt die Geschichte des berühmten Dirigenten Joachim Meier, in dessen Kopf das Fortschreiten der Krankheit zu einer immer größer werdenden Unordnung führt. Am Anfang ist es die Sprache, die ihm nicht mehr gehorcht: Da fehlen bestimmte Worte, Sätze haben kein Ende mehr und versanden. Auch Alltagsgegenstände verlieren für ihn nach und nach ihre Funktion oder werden anscheinend gestohlen. Schließlich erkennt der Dirigent sogar seinen eigenen Sohn Paul nicht mehr, dessen Rolle Borggrefe ebenfalls spielt.

Musik als Zugang zum Erleben

Als Paul eines Tages mit seinem Vater über sein Haus reden möchte und ihn fragt: „Bewohnst Du eigentlich noch alle Zimmer?“ entgegnet der Vater: „Ja. Aber nur in die Dachstube, da komme ich nicht mehr so oft hin.“ Und dennoch: Auch wenn sich dem Dirigenten seine „Dachstube“ immer mehr verschließt, verliert er nicht seine Identität. Denn wenn er zum Taktstock greift, um sein imaginäres Orchester zu dirigieren, ist er ganz bei sich selbst. Es ist die Musik, die ihn trägt und Zugang zu seinem inneren Erleben gewährt: Trauer, Schmerz, Ergriffenheit, Freude und Glück – all das spiegelt sich in seinen Gesichtszügen, wenn er am Pult steht. Und er bleibt bis zum Schluss der Orchesterchef: Am Ende dirigiert er noch einmal seine ganze Lebensgeschichte.

Anschließend Gesprächsrunde

Was das Theaterstück und die anschließende Gesprächsrunde aber auch deutlich machte: Man braucht jenseits der Sprache neue Wege, um mit den Erkrankten zu kommunizieren. „Musik“, sagt der Dirigent an einer Stelle des Stücks, „ist ein Aufeinander-Hören, ein Zusammenspiel.“ Und dieses Zusammenspiel gelingt immer dort, wo man sich dem Kranken auf andere Weise nähert – durch Berührungen etwa und vor allem durch die Musik. Sie kann ein Weg sein, um die scheinbar auf immer verschlossene Dachstube zu öffnen und gemeinsam mit den Kranken wieder zu betreten.