Donnerstag, 17.09.2020

700 Jahre alter Patient im CT

Große Erleichterung am Mittwochabend am CT im Herz-Jesu-Krankenhaus. „Es passt durch“, sagten Chefarzt Priv.-Doz. Dr. Thomas Allkemper und die Leitende MTRA Barbara Südfeld fast unisono, „ganz knapp – und nur, wenn wir es diagonal legen.“

Kurz vor dem spannenden Untersuchung beim Positionieren des "Patienten". V.l.: Beate Zumkley, Stephanie Keinert, Chefarzt Priv.-Doz. Dr. Thomas Allkemper, Barbara Südfeld, Leitende MTRA sowie Dr. Reinhard Karrenbrock.

Normalerweise hätte man dem Patienten, der da untersucht werden sollte, einfach gesagt, er möge bitte die Arme einmal nach oben legen. Normalerweise hätte man den Patienten auch gebeten, seinen Kopf vielleicht einmal auf die andere Seite zu wenden. Und normalerweise hätte Allkemper auch nicht darüber nachgedacht, welchen Namen man denn jetzt in den PC eingibt. Aber was ist schon normal, wenn eine spätmittelalterliche Christusfigur als „Patient“ eingeliefert wird?

Über 700 Jahre alt ist die Holzfigur. Sie stammt aus der St.-Marien-Kirche in Datteln-Ahsen (Kreis Recklinghausen). Auf Bitten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) wurde sie in unserem Institut für Radiologie und Neuroradiologie computertomographisch untersucht. Vor der anstehenden Restaurierung wollten die Auftraggeber wissen, wie die einzelnen Körperteile an der Figur befestigt sind und an welchen Stellen es hölzerne Ergänzungen gibt. Aber noch etwas gab Rätsel auf: Eine mit einem ovalen Zinnblech verschlossene Aushöhlung, deren Öffnung man vermeiden wollte, um keine Schäden zu verursachen.

So waren die „Begleiter“ des Patienten (Restauratorin Beate Zumkley mit Ehemann Peter von Bein als begleitenden Transportfahrer, Stephanie Keinert von der LWL-Denkmalpflege sowie Dr. Reinhard Karrenbrock, wissenschaftlicher Referent beim Bistum Münster) schon vorab in für beide Seiten hoch interessanten Austausch mit Priv.-Doz. Dr. Thomas Allkemper vertieft. Zum einen gab es spannende Einblicke in die Aufgaben und das Wissen der Denkmalpfleger und Restauratoren, zum anderen erläuterte der Radiologe die Möglichkeiten und Grenzen der Medizintechnik.

Aber von Grenzen konnte kaum die Rede sein, denn die Besucher waren begeistert von den Ergebnissen. Nicht nur, dass die Computertomographie hochaufgelöste, überlagerungsfreie Schnittbilder lieferte, mit denen sich auch sehr feine Strukturen dreidimensional darstellen und analysieren lassen, sondern nach dem CT wurde die Figur auch zusätzlich noch mit einem  Angiographie-Gerät untersucht. Hier begeisterten nicht nur die erstaunlich präzisen Blicke ins Innenleben der Figur, sondern auch die ganz eigene Ästhetik der wie Bleistiftzeichnungen anmutenden Bilder auf dem PC-Monitor.

„Fest steht schon jetzt, dass die geheimnisvolle Aushöhlung auf der Rückseite nicht leer ist", verriet LWL-Denkmalpflegerin Stephanie Keinert. „Um genau sagen zu können, worum es sich bei den darin enthaltenen Gegenständen handelt, müssen wir die Bilder jedoch erst weiter auswerten." Eine genaue Interpretation der Aufnahmen erfolgt in den nächsten Wochen, doch schon jetzt können die Fachleute erste Annahmen machen: „Wichtige Erkenntnisse zur Werktechnik zeichnen sich bereits jetzt ab. Gut zu erkennen ist, dass die Arme durch handgeschmiedete Eisennägel mit dem Rumpf verbunden sind. Der außergewöhnliche Knoten des Lendentuchs ist dagegen aus einem Stück mit dem Rumpf gearbeitet", so die Experten.

Ob diese für ein Krankenhaus außergewöhnliche Diagnose in eine Patientenakte Eingang gefunden hat, bleibt zu bezweifeln. Aber das Team Allkemper/Südfeld war begeistert von der ungewöhnlichen Aufgabe. Beide freuten sich sehr, den freundlichen und dankbaren Besuchern geholfen zu haben.